Wenn man sich in der Welt der MMORPGs umsieht, taucht ein Spielname gefühlt überall und bei jedem auf: World of Warcraft. Natürlich sprießen neue MMOs ebenfalls Jahr für Jahr aus dem Boden und ständig gibt es Hypes, die “das neue WoW” vorhersagen. Nach der Bruchlandung stellt sich dann stets die Frage: Was war dieses Mal los? Warum scheitern neue MMORPGs andauernd an dem mittlerweile 20 Jahre alten World of Warcraft? Genau dieser Frage möchten wir heute auf den Grund gehen.
WoW – die ewige Sucht
Dass World of Warcraft ein wenig wie eine Sucht ist, dürften viele WoW-Spieler bezeugen können. Alles fängt ganz harmlos an – man macht seine ersten Schritte in der Welt von Azeroth, die noch relativ klein wirkt. Das war sie früher zu Classic-Zeiten schließlich auch, wobei sie selbst dort schon ohne die modernen Gebiete und Features unzählige Stunden und Wochen über Wochen Spielspaß bot.
World of Warcraft wurde größer, die Spieler professioneller. Wir besuchen Dungeons, raiden am Abend, quatschen mit der Gilde, arbeiten an täglichen Quests, erkunden die Welt und sollte uns jemals langweilig sein, haben wir ja auch noch Berufe, Haustierkämpfe und gefühlte 300.000 Erfolge. Dann kommen Weltereignisse und Aktionen dazu, wir möchten die wöchentliche Bonustruhe nicht verpassen und diese und jene Klasse wollten wir auch schon immer mal spielen und komplett ausrüsten.
Gefühlt könnten wir also den ganzen Tag in World of Warcraft verbringen und reichen würde uns die Zeit trotzdem nicht. Also kommt vielleicht irgendwann der Gedanke, dass wir möglicherweise zu viel Zeit in WoW verbringen oder dass einfach die Luft raus ist. Wir hören mit WoW auf und beenden unser Abo.
Vielleicht kehren wir nach zwei Monaten zurück oder es dauert sogar zwei Jahre. Aber spätestens, wenn die Ankündigung für die neue Erweiterung erfolgt (vielleicht hält man es auch noch bis zum Release aus, weil es dann ja richtig losgeht), kribbeln die Finger so sehr. Eventuell ist es eine Sommerflaute und im Sommer wollen wir lieber draußen sein statt drinnen zu hocken, aber spätestens im Herbst und Winter kommt die WoW-Lust zurück. Eventuell ist es auch ein ganz anderes Spiel, das uns aus Azeroth fortlockt, aber irgendwann ist dort ebenso die Luft raus (alternative MMOs sind einfach nie so gut wie WoW, oder etwa nicht?) und Singleplayer-Spiele sind sowieso irgendwann vorbei.
Was tun wir also?
Wir kehren zurück zu WoW und das Spiel beginnt von vorne.
WoW: das Forever Game
Mark Darrah, Producer des MMOs Anthem, hat sich zu dieser “Problematik” ebenfalls geäußert. Für ihn sind Spiele wie World of Warcraft sogenannte Forever Games, vergleichbar mit Läden wie Starbucks. Man geht jeden Tag hin, holt sich seinen Kaffee und das immer wieder.
Neben diesen Forever Games gibt es seiner Ansicht nach sogenannte self contained Games. Damit sind in sich geschlossene Spiele gemeint, vergleichbar mit Restaurants.
Warum scheitern neue MMOs ständig?
Auf dem Markt der Forever Games geht es darum, Spieler von ihrem Lieblingsspiel wegzulocken. Normalerweise loggen sie sich dort oftmals täglich ein und das Ziel eines Entwicklers von einem neuen Forever Game ist es, diese Spieler in ein anderes Forever Game zu ziehen.
Neue MMORPGs konkurrieren also nicht nur mit anderen neuen MMOs, sondern mit der ganzen Welt der Forever Games, unter anderem also automatisch auch mit World of Warcraft.
Als World of Warcraft damals auf den Markt kam, musste es sich mit dem vergleichen lassen, was der Markt hergibt. Im Verlaufe der 20 Jahre hat sich das Spiel gewandelt, ist größer geworden, vor allem aber auch besser, intuitiver, innovativer. Blizzard hat unzählige Patches veröffentlicht, um Spieler-Feedback umzusetzen und die Anziehungskraft des MMORPGs WoW noch größer zu gestalten.
Ein brandneues MMO muss es genau wie WoW damals nun ebenfalls mit der Konkurrenz auf dem Markt aufnehmen. Dazu zählt aber auch ein Spiel wie World of Warcraft, welches schon 20 Jahre Entwicklungsprozess hinter sich hatte. Da es ein Forever Game ist, ist die Grafik aber nicht veraltet oder das Spiel auf dem Stand von vor 20 Jahren. Ganz im Gegenteil. Moderne MMOs sehen sich einem Giganten gegenüber, der genau wie ihr eigenes Spiel am Puls der Zeit agiert – aber eben mit 20 Jahren zusätzlicher Erfahrung und Community.
Das ist ein gewaltiger Vorteil für World of Warcraft. In diesen 20 Jahren oder seien es auch nur fünf oder zehn Jahre, in denen ein Spieler WoW aktiv spielt, ist so viel passiert. Man hat eine Gemeinschaft gefunden, Freunde, Familie, sich real getroffen oder verbringt einfach viele Stunden mit chatten und quatschen, raiden und questen. Wer World of Warcraft für ein anderes Forever Game verlässt, verlässt also im schlimmsten Fall auch seine Gruppe, Gilde, Freunde und Familie. Dazu kommt noch, dass der “Virus WoW” in gewisser Weise ziemlich ansteckend ist.
Mal ehrlich: Wie vielen Menschen habt ihr in der gesamten Zeit eures Lebens schon erzählt, dass ihr WoW spielt und wer ist durch euch oder andere Leute zu WoW gelangt? Spielt ihr vielleicht mit echten Freunden zusammen und würdet ihr das gemeinsame Zocken nach der Schule oder nach der Arbeit vermissen, wenn ihr WoW verlasst? Auch das sind alles Faktoren, mit denen es brandneue MMORPGs aufnehmen müssen.
Das MMO wechseln – gar nicht so einfach
Wer sich dennoch entschließt, sein geliebtes Forever MMO zu verlassen, muss einige Hürden bewältigen. Selbst wenn ein neues MMORPG irgendwie spannend klingt, gibt es noch einige Fragen.
- Wie teuer ist das Spiel? Ist es Free to play? Und wenn ja, ist ein kostenloses Spiel wirklich so gut wie ein Abo-Spiel wie World of Warcraft? Sollte ich die Anschaffung für ein Spiel wirklich wagen, wenn ich noch nicht weiß, ob es besser ist oder ob ich dranbleibe?
- Wenn ich mit WoW-Freunden zocke oder vielleicht Freunde aus dem realen Leben mit mir gemeinsam World of Warcraft spielen – werden sie mit mir zum neuen MMORPG wechseln oder muss ich dort dann ganz von vorne anfangen in Sachen Gilde, Community, feste Gruppe und Co.?
- Wird das neue Spiel genauso “bequem” sein wie ich es von WoW kenne oder wird mich irgendwas nerven, weil ich mich erst in das ganz neue System einarbeiten muss? Schließlich möchten Entwickler von neuen MMORPGs auch oft innovativer sein und machen viele Dinge bewusst anders – aber will ich das überhaupt?
- Ich hab schon zehn geile Charaktere auf maximaler Stufe und drei von ihnen sind so extrem gut ausgestattet mit M+ Gear, soll ich jetzt wirklich noch mal in einem anderen MMORPG anfangen und so viele Stunden und Tage investieren?
Diese und wahrscheinlich noch viele weitere Gedanken gehen WoW-Spielern also möglicherweise durch den Kopf, wenn sie darüber nachdenken, ob sich ein Wechsel zu einem neuen MMO lohnt. Selbst wenn das MMORPG also in Sachen Marketing, Grafik und Features alles richtig macht, kommen Zweifel auf.
Neue MMORPGs müssen nicht nur gut sein
Ein neues MMO, das sich in einer Welt mit World of Warcraft behaupten möchte, muss also nicht einfach nur gut sein. Es muss besser sein als WoW, denn nur dann könnte sich das Geld lohnen. Nur dann könnte man seine Freunde überzeugen, auch mitzukommen. Nur dann würde es sich lohnen, noch mal neu anzufangen.
Wenn das neue MMORPG genauso gut oder irgendwie ähnlich ist wie WoW: Warum sollte man dann wechseln?
Viele WoW-Spieler haben World of Warcraft schon derart lange gespielt, dass sie eine feste Vorstellung davon haben, wie ein MMO sein sollte. Die Art des Spiels ist fest im Gehirn verankert und ein neues MMORPG hat genau eine Chance, diesen Spieler zu begeistern.
Die eine Sorte Spieler sehnen sich nach Innovationen, da ihnen in WoW langweilig geworden ist. Das ist genauso, wenn man zu oft beim gleichen Lieferdienst bestellt. Irgendwann hat man Lust auf etwas anderes, probiert sich aus, kehrt dann aber oft zum bekannten Lieferdienst zurück.
Die andere Spieler-Sorte wiederum möchte davon überzeugt werden, dass es sich lohnt, das andere Spiel zu spielen. Es sollte zwar irgendwie besser sein als WoW, aber nicht unbedingt anders, denn umgewöhnen mögen wir Menschen nicht. Wir sind Gewohnheitstiere, wir lieben Routinen, also lieben wir auch das Spiel, das wir schon immer spielen.
Ein neues MMORPG muss also nicht nur gut sein, es muss besser sein. Und wie kann ein neues Spiel besser sein als ein ebenfalls modernes Spiel, was aber 20 Jahre Zeit hatte, zu wachsen und zu lernen? Die Antwort lautet: fast gar nicht.
Das kleine “fast” fügen wir ein, weil natürlich niemand weiß, wann vielleicht doch der große WoW-Killer kommt, der den MMORPG-König vom Thron stößt. Versucht haben es in den letzten Jahren unzählige Spiele und gefühlt Jahr für Jahr schreit jemand, dass es einen neuen MMO-Stern geben wird, der Hype ist groß und dann irgendwann stellt man sich die Frage … was ist eigentlich aus dem Spiel XYZ geworden? Niemand weiß so wirklich eine Antwort, denn meistens wird es einfach nur sehr still in der Medienwelt.
Das bedeutet nicht, dass es die Spiele nicht mehr gibt. Viele Vertreter haben ihre Fans gefunden und eine Community aufgebaut. Sie sind für ihre Verhältnisse erfolgreich, auch wenn sie WoW nicht vom Thron stoßen konnten. Es bedeutet also nicht, dass alle Welt nur WoW spielt – das wäre maßlos übertrieben. Es ist einfach nur schwer, die bereits bestehenden WoW-Spieler davon zu überzeugen, dauerhaft (!) ein anderes MMORPG zu spielen.
Neue MMOs brauchen eine dramatische Anziehungskraft
Nach Ansicht von Mark Darrah müssen neue MMOs dramatisch besser sein, um die gigantische Anziehungskraft, die bestehende MMORPGs haben, zu schlagen. Oft denken Entwickler seiner Ansicht nach nur, dass sie vergleichbar sein müssen, also einfach ein gutes und vergleichbares Angebot schaffen müssen. Eine Alternative zu WoW. Aber warum sollten die Spieler wechseln, wenn es nur eine “Alternative” ist? Sie würden nur wechseln, wenn es dramatisch besser ist.
Bei Singleplayer-Spielen stellt sich diese Problematik dagegen nicht. Sie sind wie schon erwähnt mit einem Restaurant-Besuch vergleichbar. Man probiert hier mal etwas aus und dort – man erlebt von Zeit zu Zeit etwas Neues und sucht daher auch bewusst nach derartigen Erfahrungen. Irgendwann sind wir mit dem Spiel (oder dem Essen) fertig und suchen uns eine neue Attraktion.