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VALORANT als Esport – Wer Wie Was Warum

Mit VALORANT erreicht uns ein Titel, der irgendwo zwischen Counter-Strike, Rainbow Six: Siege und Overwatch ansetzt. Das Spiel konnte... Fabio | September 13, 2020

Mit VALORANT erreicht uns ein Titel, der irgendwo zwischen Counter-Strike, Rainbow Six: Siege und Overwatch ansetzt. Das Spiel konnte ganz besonders zur Beta-Zeit sehr viel Aufmerksamkeit generieren und das Interesse der Profi-Esportler wuchs von Tag zu Tag.

RIOT war auch von Beginn an darauf bedacht, aus VALORANT einen Esport-Titel zu machen. Nun sind schon ein paar Monate vergangen. Einige der größten Organisation haben den Schritt gewagt und haben VALORANT-Spieler verpflichtet. Unter den Spielern sind Stars wie Jay “sinatraa” Won, der kurz vor seinem Einstieg noch zum MVP der Overwatch League gekrönt worden war. Es findet fast an jedem Wochenende ein relevantes Event statt – und das, obwohl das Spiel noch nicht einmal ein halbes Jahr alt ist.

WO KOMMEN DIE TURNIERE HER?

Es ist ungewöhnlich, dass ein Spiel so kurz nach der Veröffentlichung bereits so viele Events vorweisen kann. Spiele wie Rainbow: Six Siege oder PUBG mussten Jahre dafür arbeiten, dass es monatlich (oder sogar wöchentlich) Veranstaltungen gibt. Schaut man sich bei VALORANT aber die Liste der stattfindenden Events an, wird schnell klar, dass das Spiel bereits ein laufendes System und eine florierende Szene besitzt. Wo kommt das her?

Auf der einen Seite stehen natürlich die Dritt-Turniere von außenstehenden Organisation. RIOT erlaubt diesen Veranstaltern, VALORANT-Events abzuhalten. Die Entwickler sind aber auch selbst in Form von IGNITION Series Turnieren involviert. Diese Wettkämpfe sind von RIOT sanktioniert, werden aber von anderen Veranstaltern geführt. Damit sollen verschiedene Ansätze und Formate getestet werden, anhand derer RIOT dann ihre Esports-Strategie für die kommenden Jahre ausrichten kann.

Dadurch sind bereits Firmen wie BLAST oder Flashpoint eingestiegen und haben geschaut, ob sie ihre Operationen auch auf VALORANT ausweiten können. Bislang gab es mehr als ein Dutzend IGNITION Series Events, die in den verschiedensten Regionen stattgefunden haben. Leider konnten diese aufgrund der Covid-Krise nicht offline abgehalten werden. Tatsächlich hatte RIOT auch einige LAN-Events für das junge Spiel geplant. Das kann nun alles nicht wie angedacht stattfinden, aber nichtsdestotrotz haben die Entwickler bereits eine massive Esports-Szene aus dem Boden gestampft.

Für die Profis ist das natürlich gefundenes Fressen. Ohne solch regelmäßige Turniere hätten Organisation wie G2 Esports oder TSM auch niemals das Investment getätigt, das ein Esports-Team bedeutet. Denn auch wenn VALORANT noch jung ist, die Spieler wollen stattlich bezahlt werden. Schließlich haben viele schon eine langjährige Karriere vorzuweisen.

WARUM SO VIELE PROFIS WECHSELN

In VALORANT gibt es bereits zuhauf international etablierte und berühmte Profispieler. Die sind aber nicht plötzlich aufgetaucht. Meistens stammen diese aus Counter-Strike, Overwatch oder Fortnite. An der internationalen Weltspitze lassen sich kaum Teams finden, die nicht wenigstens einen CS:GO-Profi mit an Bord haben. Warum ist das so?

Das hängt natürlich mit vielen Faktoren zusammen. RIOT hat mit League of Legends bislang den wahrscheinlich größten Esports-Titel hochgezogen. Die Entwickler stecken viel Zeit in das Spiel und kümmern sich auch besonders um die Esports-Szene. Das kann man nicht von allen Studios behaupten! Ohne also die anderen Esports-Titel kritisieren zu wollen – RIOT macht ihre Sache einigermaßen gut und es ist zu erwarten, dass VALORANT als Esport weiter wachsen wird.

Manche Spieler suchen auch einfach Abwechselung. Es ist absolut normal, dass nach einer mehrjährigen Karriere in einem spezifischen Game einfach mal ein Tapetenwechsel notwendig ist. In Spielen wie PUBG fehlt auch das große Netz aus Turnieren, das z.B. bei CS:GO besteht. Dort können einfach nicht so viele Teams durchstarten und es ist mit Sicherheit nicht so leicht, sich die Unterstützung einer großen Organisation zu sichern.

sinatraa ist einer der berühmesten Spieler, die ihren Esport gewechselt haben.

EINE ZWEITE CHANCE FÜR ALTE TALENTE

Auf der anderen Seite stehen viele alteingesessenen Profis, die in ihren ursprünglichen Spielen schon längst von Jungtalenten überholt wurden oder Leute die ihre Form nicht wiedergefunden haben und irrelevant geworden sind. Man nehme beispielsweise Adil “ScreaM” Benrlitom. Der Belgier hat lange wieder versucht, sich in der CS:GO-Szene hochzuspielen. Seine glorreichen Tage sind aber schon längst vorbei und zuletzt konnte er mit Team GamerLegion nicht mehr überzeugen. VALORANT ist jedoch neu und unerforscht. Dort kann er seine Erfahrung als FPS-Spieler ausnutzen um einen Vorsprung zu erreichen. Seine Geschichte und Zugkraft auf sozialen Medien sind ein zusätzlicher Bonus für potenzielle Organisationen. Und siehe da, er wurde zusammen mit den Jungs von Fish123 von Team Liquid verpflichtet!

Doch es sind nicht nur die Altprofis, die in VALORANT eine zweite Chance sehen. In den USA beispielsweise kämpfen viele CS:GO Teams ohne die Unterstützung einer Organisation. Das ist auch kein Wunder, denn nur eine handvoll Teams sind tatsächlich in der Lage, international mitzumischen. Wenn selbst in der amerikanischen ESL Pro League schon ein Drittel der Teams ohne Bezahlung spielen, dann müssen eben alternative Wege gefunden werden.

Der nordamerikanische Superstar, Matthew “Wardell” Yu, war zum Beispiel auch ein ehemaliger “gescheiterter” CS:GO Profi. Er hätte in Counter-Strike möglicherweise den Sprung auf ein größeres Team schaffen können – aber in VALORANT ist er jetzt schon an der Spitze. In-Game-Leader wie Pujan “FNS” Mehta oder Kirill “ANGE1” Karasiow hat es ebenfalls auf diese Route gezogen. Mit FunPlus Phoenix kann letzterer ebenfalls an der europäischen Spitze mitmischen.

VALORANT ALS RETTUNG VORM KARRIERE-AUS

Manche Spieler erhoffen sich mehr Chancen aus diesem neuen Spiel. Für manche ist die Reise in anderen Titeln aber auch einfach beendet und es bietet sich gar keine andere Möglichkeit mehr, als zu wechseln. Dieses Problem haben beispielsweise Joshua “steel” Nissan, Braxton “swag” Pierce und Keven “AZK” Larivière. Die drei gehörten zum iBUYPOWER-Roster das 2014 wegen Match-Fixing in CS:GO gebannt wurde. Die Spieler haben in den Augen der Community schön längst ihre Strafe abgeleistet und sollten wieder in die höchsten Profi-Zirkel eintreten dürfen. Das haben ESL und DreamHack dann auch in 2018 erlaubt, aber Valve stellt sich bislang quer.

Joshua “steel” Nissan

Das hat zum Ergebnis, dass diese drei Spieler kein Major-Turnier bestreiten dürfen und somit auch keinen Platz in einem Team mit Major-Ambitionen finden werden. Dabei hatte ‘steel’ zuletzt noch mit Chaos eine talentierte Gruppe von Spielern trainiert und zu starken Ergebnissen geführt. Aber nun ist das Team bereit für eine Weltmeisterschaft, und auf diesem Weg kann ‘steel’ sie nicht begleiten. Weil er nicht für ewig auf der Hemmschwelle vor dem großen Erfolg herumdrucksen wollte, hat er nun die einzige mögliche Konsequenz daraus gezogen – weg von Counter-Strike. Hunderte Profispieler stecken nun ihre Hoffnung und ihre Chancen auf eine große Karriere in das Spiel.

WIRD VALORANT DIESE ERWARTUNGEN ERFÜLLEN?

Spiele wie PUBG oder Overwatch haben demonstriert, dass eine Esports-Szene mehr als nur Entwickler-Support benötigt, um groß zu werden. Das Zuschauerinteresse muss da sein. Ohne das Zutun der Spielerbasis ist es egal, wie viele Millionen Dollar in Turniere investiert werden, wenn keiner sie sehen will. RIOT macht also den schlauen Schritt und wartet erst einmal ab, wie hoch das Interesse an ihrem Spiel ist und ob sich die Zuschauerzahlen halten. Den Großteil der Arbeit haben die anderen Organisatoren.

Schaut man sich aber RIOTs Arbeit mit League of Legends an, so wird schnell klar, dass die Verantwortlichen wissen wie man Esport macht. Wenn eine Firma es schaffen sollte, so eine kompetitive Szene aus dem Nichts zu erschaffen und über Jahre hinweg zu erhalten, dann ist es wahrscheinlich RIOT. Es müssen aber viele Variablen zusammenkommen damit sich das Spiel hält. In letzter Zeit performt das Game nicht mehr so gut wie erhofft und auch mechanisch hinkt es hinterher. Vor allem wiederkehrende Bugs im Spectator Modus und der mit 4 Maps viel zu kleine Pool gibt Zweiflern viel Munition. Das hätte man eigentlich vermeiden können. Schließlich ist Valorant nicht der erste taktische Ego-Shooter der Welt.

Riot muss sich daran gewöhnen, an ihren eigenen und den von Vorreitern gesetzten Maßstäben gemessen zu werden. VALORANT hat also immernoch viel Luft nach oben.