Ein möglicher Umbruch im europäischen League-of-Legends-Esport bahnt sich an. Laut einem Bericht von Sheep Esports plant Riot Games, ab der Saison 2026 die sogenannte LTR-Regel („Locally Trained Requirement“) in den europäischen Regionalleagues (ERLs) zu streichen. Diese Vorgabe hatte bisher festgelegt, dass Teams eine bestimmte Anzahl lokal ausgebildeter Spieler im Kader haben müssen.
Die Abschaffung dieser Regel könnte die Zusammensetzung der Teams in den nationalen Ligen grundlegend verändern – und das europäische Nachwuchssystem nachhaltig beeinflussen.
Was sich ab 2026 für ERL-Teams ändern soll
Bislang war jedes Team verpflichtet, mindestens zwei (in manchen Ligen drei) Spieler im Line-up zu haben, die lokal ausgebildet oder längerfristig in der jeweiligen Region aktiv waren. Ab 2026 soll diese Pflicht wegfallen.
Dem Bericht zufolge dürfen Teams künftig frei über ihre Aufstellung entscheiden, solange mindestens drei Spieler aus der EMEA-Region stammen. Damit wären beispielsweise fünf spanische Profis in der NLC (nordeuropäische Liga) ebenso erlaubt wie fünf französische Spieler in der Prime League – völlig unabhängig von deren bisheriger Spielhistorie in der jeweiligen Region.
Einige Ligen könnten sich jedoch dazu entscheiden, eigene Beschränkungen beizubehalten. Riot selbst will die LTR-Vorgabe allerdings nicht länger verbindlich machen. Insbesondere die LFL (Frankreich) soll laut Insidern sämtliche nationalen Limitierungen abschaffen wollen.
Hintergrund: So funktionierte die LTR-Regel bisher
Bis zur Saison 2024 mussten alle Teams in den ERLs mindestens zwei lokal ausgebildete Spieler verpflichten. Im Jahr 2025 wurde den Ligen erlaubt, diese Zahl eigenständig anzupassen – manche erhöhten sie sogar auf drei.
Ein Spieler konnte den LTR-Status erwerben, wenn er über einen längeren Zeitraum in derselben Liga aktiv war oder dort dauerhaft lebte. Ziel war es, den Aufbau nationaler Talente zu fördern und den lokalen Charakter der Ligen zu bewahren.
In der Praxis wurde die Regel allerdings schon mehrfach flexibel ausgelegt. So trat etwa TeamOrangeGaming im Prime League Summer Split 2025 ohne einen einzigen deutschen, österreichischen oder schweizerischen Spieler an – ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich die Richtlinie gehandhabt wurde.
Warum Riot die Regel offenbar kippen will
Hinter der Entscheidung steht offenbar der Wunsch, den Spielermarkt in Europa zu öffnen und die Wettbewerbsfähigkeit der ERLs zu steigern. Durch die Abschaffung nationaler Beschränkungen könnten künftig internationale Line-ups entstehen, die stärker nach Leistung als nach Herkunft zusammengestellt werden.
Für viele Teams bietet das neue System größere Flexibilität bei Transfers – gleichzeitig entfällt der Druck, junge lokale Spieler allein aus Regelgründen in den Kader aufzunehmen.
Allerdings birgt die Entscheidung auch Risiken:
- Kleinere Regionen könnten an sportlicher Stärke verlieren, wenn ihre Top-Talente in größere Ligen abwandern.
- Der nationale Charakter, der viele ERLs bislang auszeichnete, könnte verloren gehen.
- Nachwuchsförderung im regionalen Kontext wird schwieriger, wenn lokale Spieler weniger Spielzeit erhalten.
Chance oder Risiko für den europäischen Esport?
Die mögliche Abschaffung der LTR-Regel spaltet die Community. Befürworter argumentieren, dass freier Wettbewerb und größere Teamvielfalt langfristig zu höherem Niveau führen werden. Kritiker hingegen warnen vor einem Leistungsgefälle zwischen starken und schwachen Regionen, das die EMEA-Masters-Struktur destabilisieren könnte.
Ein Manager aus der LFL, der anonym bleiben wollte, äußerte gegenüber Sheep Esports:
„Ohne die LTR-Regel werden sich Superteams bilden – aber kleinere Szenen werden ausbluten. Wir riskieren, dass Ligen wie Polen oder Benelux langfristig kaum noch Relevanz haben.“
Mögliche Folgen für die EMEA Masters
Sollte Riot Games die Regel wie erwartet aufheben, könnte dies die EMEA Masters, das wichtigste internationale Turnier der ERLs, stark verändern. Ohne nationale Beschränkungen könnten sich in einzelnen Ligen wahre „Dream Teams“ bilden – bestehend aus den besten verfügbaren Spielern der Region.
Das würde den Wettbewerb zwar intensivieren, könnte aber auch dazu führen, dass einige Ligen dominieren, während andere zu Ausbildungsligen degradiert werden. Ein Szenario, das Riot laut Branchenbeobachtern unbedingt vermeiden möchte.
Ein Schritt Richtung offener Esport-Strukturen
Riot Games hatte in den letzten Jahren mehrfach betont, den europäischen Unterbau des LoL-Esports reformieren zu wollen. Bereits 2025 wurde der Einfluss der LTR-Regel abgeschwächt, und mit der Einführung eines Schiedsgerichts für Spieler- und Teamrechte in der EMEA-Region zeigte das Unternehmen, dass man stärker auf professionelle Standards setzt.
Die mögliche Streichung der LTR-Anforderung passt in dieses Bild: weg von nationalen Grenzen, hin zu einem offeneren, globaleren Esport-System – ähnlich dem Modell großer Sportligen wie der LCS oder der LCK.
Reaktionen aus der Community
In den sozialen Medien zeigen sich die Reaktionen gemischt. Während viele Profis und Organisationen die Entscheidung begrüßen, weil sie mehr kreative Freiheit verspricht, warnen Fans und lokale Ligen vor einem Verlust kultureller Identität.
Ein Beispiel: In Deutschland gilt die Prime League seit Jahren als wichtige Plattform für Nachwuchstalente. Sollte die LTR-Regel dort wegfallen, könnten internationale Teams die Liga dominieren – und der Weg für lokale Spieler in den Profibereich würde deutlich steiniger.
Wie es weitergeht
Riot Games hat das Gerücht bislang nicht offiziell bestätigt. Branchennahe Quellen gehen jedoch davon aus, dass die Ankündigung spätestens Anfang 2026 erfolgen wird, rechtzeitig vor der neuen ERL-Saison.
Bis dahin bleibt offen, ob einzelne Regionen wie die LVP (Spanien) oder NLC (Nordeuropa) eigene Lösungen finden, um nationale Nachwuchsstrukturen zu schützen. Klar ist aber: Sollte die Änderung kommen, steht dem europäischen Esport eines der größten strukturellen Experimente seiner Geschichte bevor.
Europas Regionalleagues vor einem Neustart
Die mögliche Abschaffung der LTR-Regel markiert einen Wendepunkt für den europäischen League-of-Legends-Esport. Zwischen offener Internationalität und lokaler Identität muss Riot Games einen neuen Balancepunkt finden.
Ob diese Entscheidung den Weg zu stärkerem Wettbewerb oder zum Verlust regionaler Vielfalt ebnet, wird sich erst in der Praxis zeigen – doch eines ist sicher: Der Esport in Europa steht vor einem tiefgreifenden Wandel.
Quelle: www.sheepesports.com
