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Frauen im Esports: ein Weckruf an die Szene – Teil 2

Im ersten Teil dieses Artikels konntet ihr euch ein Bild von der Lage für Frauen im Esports machen. Erfahrt... Mara | Oktober 8, 2022

Im ersten Teil dieses Artikels konntet ihr euch ein Bild von der Lage für Frauen im Esports machen. Erfahrt hier im zweiten Teil, was wir alle tun können, um die Vielfalt im Esports zu fördern. Um die Missstände noch einmal klar zu machen, muss man über den Tellerrand schauen und verstehen, dass das Problem etwas komplexer ist.

Am 7. September ist zuletzt ein Bericht der United Nations erschienen, der postuliert, dass bei dem jetzigen Stand der Entwicklung noch 286 Jahre vergehen werden, bis eine vollständige Gleichstellung der Geschlechter herrscht. Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass das Wahlrecht für Frauen in der Schweiz beispielsweise erst am 7. Februar 1971 eingeführt wurde. So lassen sich die Verhältnisse im Esport von den Verhältnissen auf der Welt und in der Gesellschaft ableiten. Muss sich dann erst dort etwas ändern, damit wir auch im Esport die Veränderung leben können? Natürlich hängt das zusammen, aber die Veränderung kann auch von uns kommen!

Schritt in die richtige Richtung

Man könnte meinen in westlich geprägten Ländern haben wir Glück und schon einiges erreicht, wenn man andere Regionen der Welt betrachtet. Doch nur weil anderswo noch schlimmere Verhältnisse herrschen, heißt das nicht, dass man sich mit dem kleineren Übel zufriedengeben sollte.

Keiner wünscht sich Sklaverei, Apartheid oder Hexenverbrennungen zurück. Die Liste der (leider manchmal nur teilweise) überwundenen Diskriminierungen und Unterdrückungen ist lang und sie zeigt uns, dass wir für eine bessere, gleichberechtigte Zukunft kämpfen müssen, egal wie viele Rückschläge wir erfahren. Das kann auch mit etwas vermeintlich kleinem, wie unserem Umgang im Gaming, anfangen.

Der Weg zu gemischten Teams

Einige sind der Meinung, dass die einzige Möglichkeit, Frauen auf die großen Bühnen zu bringen, darin besteht, Esports in separate Turnierserien für Männer und Frauen aufzuteilen. 2019 startete Riot sein VCT Game Changers-Programm ausschließlich für Spielerinnen in Nordamerika und der EMEA-Region. Ziel ist es, sichere Möglichkeiten für Frauen zu schaffen, ohne Angst vor geschlechtsspezifischer Belästigung und Toxizität zu haben.

Diese Initiative und andere – wie die ESL CS:GO Women’s Circuit – haben jedoch eine hitzige Debatte ausgelöst. Es wird argumentiert, dass die Aufteilung von Teams nach Geschlecht im Esports weder dazu beiträgt, dass sich Männer daran gewöhnen, mit und gegen Frauen anzutreten, noch dass Esports dadurch integrativer wird. Aber es ist trotzdem ein wichtiger Schritt, um diese Debatte in der Esports-Szene deutlich zu machen. Wenn wir nicht regelmäßig lesen würden, dass das nächste Frauen-Team gegründet wurde, hätten wir uns vielleicht noch nicht so intensiv mit dem Thema der Integration und Gleichberechtigung im Esports beschäftigt.

Frauen-Turnierserien und Diversity-Aspekt

Seit einigen Jahren werden immer mehr Turniere für weibliche Spielerinnen veranstaltet und Initiativen gegründet, die die Diversität fördern. Bevor die Welt bereit ist, Frauen im Esport zu akzeptieren, brauchen wir solche Safe-Spaces zur Entwicklung. Sie geben Frauen eine Bühne, auf der sie Idole werden können und wo sie keine Angst vor Diskriminierung haben müssen. Mittlerweile entstehen immer mehr Frauen-Turniere, wie die hier:

  • Girlgamer Esports Festival (LoL, CS:GO)
  • Commonwealth Esports Championships: Women’s Event (Rocket League, eFootball, DOTA 2)
  • ShEsports Cup Euros Edition (FIFA)
  • MLBB Women’s Invitational (Mobile Legends BB)

Durch die vermehrte Aktivität Saudi-Arabiens im Esport wird immer wieder klar, wie stark die Szene zusammenhält, wenn sie mit der extremen Ungleichbehandlung und Diskriminierung der LGBTQ+ Community konfrontiert wird. So wurde das Saudische Projekt “NEOM”, eine Esport-Stadt mitten in der Wüste, von einigen Turnierveranstaltern, unter anderem der LEC, als Austragungsort ihrer Finals bekannt gegeben, nur um im starken Gegenwind der Community im Sandsturm unterzugehen.

Im Juli lehnte es beispielsweise das Rocket League-Team Moist Esports ab, bei der saudischen GWB-Veranstaltung zu spielen, wobei der britische Trainer Noah schwor, “nicht mit einem Land zusammenzuarbeiten, das LGBTQ+ Personen nicht als Menschen anerkennt”.

Safe-Spaces zur Entwicklung der Weiblichen Pro-Community

Nur mit weiblichen Vorbildern und Idolen wird sich langfristig eine competitive Ader in der weiblichen Spieler-Landschaft bilden lassen. Um diesen Heldinnen eine Plattform zu bieten und es ihnen zu ermöglichen, Reichweite zu generieren, um letztendlich Casual-Spielerinnen zu inspirieren, gibt es schon einige gute Ansätze in verschiedenen Esport-Communities.

ESL CS:GO Women’s Circuit

ESL Gaming schreibt selbst, dass sie an eine Welt glauben, in der jeder jemand sein kann. Das Problem liege vor allem an einer fehlenden Infrastruktur, woran sie arbeiten wollen. Die ESL will mit ihrer Initiative ein neues Ökosystem für CS:GO-Spielerinnen schaffen, ihnen die gleichen Chancen geben, neue Möglichkeiten schaffen und ihre Repräsentanz verbessern. Es soll nur der erste von vielen Schritten sein, den die ESL auf dem Weg zu mehr Inklusion, Respekt und Gleichberechtigung im Gaming und Esports machen will. Das Ziel ist es, eine integrative Gaming-Community zu schaffen, die frei von Diskriminierung, Beschimpfung und Mobbing sein soll. Die ESL hat ein Ökosystem für Frauen geschaffen, das 500.000 Dollar für regionale Ligen, eigenständige Events auf DreamHack-Festivals und ESL Cash Cups bietet.

VALORANT Game Changers

Die VALORANT Champions Tour Game Changers Women’s Circuit wurde Anfang 2021 von Riot in Nordamerika ins Leben gerufen und wurde nach ihrem Erfolg auch in der EMEA-Region eingeführt. Im Mai 2022 brach G2 Gozen den Rekord von drei VCT Game Changers-Turnieren in Folge und besiegte im Finale erneut die UK-org von David Beckham: Guild Esports. Leider gibt es bisher Schwierigkeiten mit Riot, non-binäre Spieler in der EMEA-Region zu verifizieren, weshalb sie nicht am Turnier teilnehmen können, das könnte auch für League gelten.

League of Legends Esports Women’s Circuit

Gerüchten zufolge erwägt Riot einen globalen League of Legends Esports Circuit für Frauen, ähnlich wie die VCT Game Changers. Ein solcher Schritt wurde schon vor einiger Zeit intern bei Riot diskutiert. Doch nach der jüngsten Ankündigung, dass G2 ein League of Legends-Frauenteam unter Vertrag genommen hat, soll die Idee vorangetrieben werden. Es sei wohl nur noch eine Frage der Zeit, aber das Vorhaben stehe fest. Unabhängig von einem globalen Turnier, gibt es auch grobe Pläne für weitere Frauen-Ligen.

Zurzeit gibt es keine offiziellen Turniere oder Ligen für Frauen, aber wenigstens Turniere von Drittanbietern. Hierzu zählen das FemaleLegends auf der DreamHack, die ESWC Paris und das Girlgamer Oradea Festival EU. In Großbritannien gibt es für Studenten außerdem die NUEL-Turniere für Frauen und non-binäre Studenten in League of Legends und VALORANT.

In Nordamerika hat die LCS von Riot bereits eine Game Changers-Initiative ins Leben gerufen, die sich jedoch eher auf Workshops und Mentoring konzentriert, als auf eine kompetitive Turnierserie. Riot hat auch Initiativen für Frauen in Brasilien angekündigt. Game Changers könnte insbesondere in der europäischen League of Legends-Szene erfolgreich sein, da es definitiv weiter diskutiert wird und nach der G2-Ankündigung wahrscheinlicher denn je sein könnte.

G2HelWomensTeam

Förderung von Frauen im Esports

Was kann also getan werden, um Frauen im Esports zu fördern? Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, wie Frauen im Esports gestärkt und ermutigt werden können, Gaming als Vollzeit-Job in Betracht zu ziehen.

Die Esports-Spielerin Melanie Capone von Cloud9 White ist der Meinung, dass Gaming-Organisationen ermutigt werden sollten, Spielerinnen genauso zu unterstützen, wie ihre männlichen Kollegen. Es sei wichtig, einen qualitativ hochwertigen Ansatz zu verfolgen und die Teams mit Ressourcen unterstützen, die sie brauchen – nicht nur, um sich zu präsentieren und das Team unter Vertrag zu nehmen, sondern auch um einen Coach, einen zweiten Coach, einen Analysten und einen guten Manager zu haben.

Equal Esports Festival in Deutschland

Die deutsche League of Legends-Szene ist jedenfalls bereit für Gleichberechtigung. Mit der Telekom als großen Sponsor fand zum zweiten Mal das Equal Esports Festival, diesmal auf der Digital X in Köln, statt. Mit bekannten Gesichtern wie Eefje ‘ Sjokz’ Depoortere, Jona ‘Johnny’ Schmitt, Nico ‘Sola’ Linke, Sermend ‘Outlandisch’ Al Hmawendi und weiteren

Influencern wird ein Raum für alle geschaffen, die im Esports unterrepräsentiert sind. Zusammen mit der Esports Player Foundation wurden Workshops, Coachings, Showmatches, Vorträge und weitere Events organisiert, die sich rund um die Inklusion aller drehen. Es ist ein wichtiges Zeichen, das mit Sicherheit zu einer gleichberechtigten Zukunft beiträgt und wovon wir eindeutig mehr brauchen.

Stärkere Vertretung von Frauen in der gesamten Esports-Branche

Das Beste, was man hier tun kann, ist die Sichtbarkeit von Frauen in der Branche zu fördern. Positive Vorbilder werden zeigen, dass Frauen die gläserne Decke durchbrechen können und es gibt mehrere Möglichkeiten, das zu erreichen:

  • mehr hochkarätige Profi-Spielerinnen
  • stärkere Vertretung von Frauen in Esports-Organisationen
  • starke weibliche Videospiel Charaktere
  • mehr weibliche Spieleentwickler und Führungskräfte in der Spieleindustrie
  • Förderung von Spielerinnen in den Esports-Medien und im Marketing
  • mehr Stipendien für Frauen im Esports
  • bessere psychologische Unterstützung für Frauen, die unter Missbrauch im Esports leiden

Wir alle sollten den Weg zur Gleichberechtigung der Geschlechter im Esports mitgestalten. Schließlich ist es unsere Szene und eigentlich steht sie schon immer für Fairness, Toleranz und unsere Liebe zum Gaming und zum Esports. Es soll kein Geschlechterkampf werden, sondern eine Begegnung auf Augenhöhe.

Dazu müssen wir uns fragen, wie wir sein wollen? Exklusiv und verschlossen? Oder inklusiv, vielfältig, tolerant und offen? Das kann jeder selbst entscheiden, doch am Ende wird Liebe und Toleranz mit Sicherheit zu einer wirklich offenen Szene führen, in der wir alle mit unseren Freunden zocken und unseren Helden und Heldinnen bei ihren Erfolgen zur Seite stehen können.

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