DE EN CN BR ES RU
Image
Icon

Frauen im Esports: ein Weckruf an die Szene – Teil 1

Wenn wir an Esports denken, kommen uns sofort die Gesichter von Lee ‘Faker’ Sang-hyeok, Aleksandr ‘s1mple’ Kostilyev, Finn ‘karrigan’... Mara | Oktober 8, 2022

Wenn wir an Esports denken, kommen uns sofort die Gesichter von Lee ‘Faker’ Sang-hyeok, Aleksandr ‘s1mple’ Kostilyev, Finn ‘karrigan’ Andersen, Olof ‘olofmeister’ Kajbjer und Martin ‘Rekkles’ Larsson in den Sinn und das hinterfragen wir auch nicht weiter. Doch im zweiten Moment fällt uns auf, dass wir kaum eine weibliche Esports-Legende kennen, aber woran liegt das?

Durch diese Gedanken kommt der Stein ins Rollen. Aber wie können wir am Status-Quo was ändern? Wie kam es dazu, dass in so einer jungen Subkultur trotzdem altbackene Systeme und Denkstrukturen existieren? Diese Fragen versuchen wir in unserer zweiteiligen Serie, um das Thema Frauen im Esport zu beleuchten und eventuell sogar zu beantworten. Das Topic ist natürlich geladen mit Vorurteilen und festgefahrenen Meinungen, wir haben versucht möglichst neutral ranzugehen und diese komplexe Thematik zu analysieren, viel Spaß beim Lesen und Philosophieren!

Frauen im Esport – die Lage

In letzter Zeit liest man immer häufiger, dass die langwierige männliche Dominanz in der Casual-Gaming-Welt mittlerweile zurückgeht und fast die Hälfte aller Gamer weiblich sind. Klingt ja fast schon nach Gleichberechtigung, aber die Esports-Szene ist noch weit davon entfernt. Es gibt tatsächlich viele erfolgreiche weibliche Gaming-Influencer und Content Creator, aber wo sind sie im kompetitiven Bereich? Dort fehlen sie an jeder Ecke und es ist nicht die Rede von reinen Frauenteams, aber dazu später mehr.

Zwar gibt es in vielen Bereichen im Esport eine höhere Beteiligung von Frauen, wie beispielsweise bei den Broadcasts von Profi-Ligen. Als gutes Vorbild geht die League of Legends European Championship voran, mit Sjokz, Troubleinc und Laure Valée, die als Hosts, Analystinnen und Casterinnen wichtige Idole für alle Frauen im Esport sind. Auch wenn es um non-binäre Personen geht, schreckt die LEC nicht zurück. Sie fördert Akzeptanz und Toleranz, indem sie eine Plattform stellt, die nicht-binäre Menschen inklusiv zeigt, als wäre es das normalste der Welt. Doch wir brauchen mehr davon und vor allem in den richtigen Positionen.

LECTalente

Man könnte Frauen im Esport als eigene Nation ohne Liga und Qualifier sehen, wie soll sich in so einer Szene ein professionelles Umfeld mit Idolen und inspirierenden Persönlichkeiten bilden, der Anreiz es zu versuchen, wäre äußerst gering und die Entwicklungsmöglichkeiten sehr begrenzt. Daher ist es nicht verkehrt, wenn solchen Communities eine Art Safe-Space gegeben wird, um den Anfang zu machen und die Nachricht zu verbreiten, dass dieser Sport oder Job eine ernstzunehmende Zukunft hat.

Mittlerweile steigt die Zahl dieser Initiativen, die sich für Inklusion und Diversität im Esport einsetzen, wie die Aktion “Women in Esports“. Sie zielt darauf ab, eine einladende Gemeinschaft zu schaffen, die mehr Frauen (einschließlich Trans- und Cis-Frauen) und Spielerinnen, die sich als weiblich identifizieren oder non-binär darstellen, dazu ermutigt, an Esports-Turnieren auf allen Ebenen teilzunehmen.

Geschlechtsspezifische Diskriminierung

Viele weibliche Spielerinnen werden diskriminiert, was zu einer geschlechtsspezifischen Ungleichheit im Esport führt. Marieke “Miss Marie” Denise, eine Rainbow Six Siege-Esports-Profispielerin und Content Creatorin, hat sich dazu geäußert, dass der weibliche Esport ernster genommen werden muss:

“Die Leute stellen Vermutungen an, wenn sie herausfinden, dass es sich um ein Frauenteam handelt, und geben sich deshalb nicht so viel Mühe. Wir sind ein ernsthaftes, professionelles Team und können oft nicht richtig trainieren, weil die Leute denken: Oh, das sind Mädchen, die werden schlecht spielen.”

Vor kurzem teilte Sjokz auf Twitter einen Kommentar auf eins ihrer Instagram Fotos, bei dem die Diskriminierung auf andere Weise deutlich wird. So manch einer gönnt erfolgreichen Frauen im Esports den Erfolg nicht.

Sozialisation und Stereotypen

Jeder kennt die alten Vorurteile: der jagende, starke Mann und die Frau sitzt zu Hause und passt auf die Kinder auf. Uns ist allen bewusst, dass die Welt mittlerweile sehr viel weiter gekommen ist, als bis zur Steinzeit. Trotzdem werden diese Stereotypen in der Werbung und in den alten Medien weiter benutzt, da hat der junge Bub grundsätzlich Blau an, während seine Schwester im Pinken Rüschenkleid mit ihren Puppen spielt.

Warum entwickelt sich dieses Gesellschaftsbild nicht weiter? Weil es leichter ist und klarer zu kommunizieren ist. Wenn man in einem 20 Sekündigen Werbespot eine Message rüberbringen will, muss man den Inhalt maximal destillieren, sodass ohne viel nachzudenken für jeden klar ist was gemeint ist. Dabei gehen aber Nuancen verloren und die Welt wird simplifiziert, manchmal zu sehr. Wir wissen, dass nicht jeder gleich ist, aber in vielen Bereichen des Lebens wird nur mit Schwarz und Weiss gezeichnet.

plsnoo

Noch in  den 90’s und 2000ern war das öffentliche Bild und die Erziehung von diesen Bildern durchzogen und das, obwohl in der modernen Welt die Frauenrechte schon sehr weit waren, wenn man sich mal klar macht, dass es Frauen früher nicht erlaubt war wählen zu gehen und sie nichtmal Auto fahren durften! Heute ist es normal, dass eine Frau auch Hosen trägt und einen Job hat, finanziell unabhängig lebt und studiert.

Aber sogar die Generation der heute 30-Jährigen wurde noch nach dem “Blau/Pink”-Ideal erzogen, der Wandel vollzieht sich also sehr langsam und gleicht eher einer Evolution als einer Revolution. Diese Entwicklung zeichnet sich auch im Gaming ab, leider ähnlich träge und das obwohl die meisten Gamer sehr aufgeklärt sind und sich der Dynamiken der Konsum-Welt bewusst sind. Auch heute kommen in den meisten Autowerbungen Männer vor und wenn es um Putzmittel geht, stehen Frau und Mutter im Mittelpunkt. Vielleicht wird die Entwicklung auch von solchen Umständen gebremst.

Männer als Großverdiener

Die besten Esportler verdienen Millionen und die Branche ist stolz auf ihre finanziellen Errungenschaften. Doch warum gibt es so wenige Frauen unter den Spitzenverdienern?

Laut esportsearnings.com hat der bestbezahlte Esports-Spieler Johan “N0tail” Sundstein in seiner Karriere mehr als 7 Millionen Dollar an Gewinnen verdient und an mehr als 100 Turnieren teilgenommen. Die nächsten 30 Spitzenverdiener, die nach ihm gelistet werden, sind alle männliche DOTA 2-Spieler. Auch in anderen Spielen wie Fortnite, CS:GO, und Call of Duty werden die Ranglisten von Männern dominiert.

Die erste Frau und gleichzeitig Transgender, erscheint auf Platz 367: die Starcraft II-Meisterin Sasha “Scarlett” Hostyn, die in ihrer Karriere seit 2011 etwa 430.000 Dollar an Preisgeldern verdient hat. Damit ist sie weit entfernt von ihren männlichen Kollegen.

Neben Hostyn gibt es zwei weitere Frauen, die sechsstellige Gewinne erzielt haben. Das sind Xiao Meng “Liooon” Li (Platz 760), die 2019 die Hearthstone Grandmasters Global Finals gewann und Katherine “Mystik” Gunn (Platz 1.478), die an verschiedenen Spielen teilgenommen hat. Eine traurige Ausbeute, die erneut unsere Gesellschaft spiegelt.

Frauen-Esport als Marketing-Tool

Frauen-Esport zu supporten ist oftmals Marketing-technisch motiviert. Es scheint für Organisationen attraktiver zu sein, ein Frauen-Team zu gründen, als ein weiteres Männer-Team, Academy-Team oder gemischte Teams. Grund dafür ist die Neuheit der Frauen-Teams, die erst in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen haben.

Ihre Gründung ist interessanter als das tausendste Männer-Team und lässt sich besser vermarkten. Außerdem haben viele namhafte Firmen Extra-Budgets für verschiedene Zielgruppen. Mit einem Männer-, Academy- und Frauen-Team in der Organisation, kann man alle Zielgruppen abdecken und alle anzapfen.

Warum ist ein gemischtes Team im Vergleich dazu weniger reizvoll? Vielleicht weil es ja beide Varianten schon gibt und es wieder viel besser abgegrenzt ist, Stichwort Blau/Pink. Wenn es ein Trend wäre, gemischte Teams zu bilden, sähe die Sache bestimmt anders aus. Also sollten wir alle den Hype vorantreiben, um eine inklusive Zukunft im Esports zu schaffen, die letztendlich zu Misch-Teams führt. Wie wir das tun können und was die Szene dafür braucht, erfahrt ihr im zweiten Teil des Artikels.

Bildnachweis: twitter.com/frankieward

twitter.com/collegehubgg

twitter.com/slasher

twitter.com/sjokz