Die Esport-Branche ist ein Milliardenmarkt, aber nicht jede Organisation profitiert gleichermaßen. Ein aktueller Geschäftsbericht der NIP Group, Muttergesellschaft der legendären Esport-Marke Ninjas in Pyjamas, offenbart ein massives Defizit im Geschäftsjahr 2024. Trotz wachsender Umsätze und neuer strategischer Projekte schloss das Unternehmen das Jahr mit einem Verlust von über 12,7 Millionen US-Dollar ab.
Die 12 Millionen Dollar haben nicht nur bei den Fans für Staunen gesorgt, sondern auch einen tieferen Einblick in die fragile Finanzlage der gesamten Esport-Industrie gewährt.
Umsatzwachstum bei gleichzeitiger Verluststeigerung
Die NIP Group konnte ihren Gesamtumsatz im Jahr 2024 leicht auf 85,3 Millionen Dollar steigern – ein Wachstum von etwa 6,4 % im Vergleich zu 2023. Besonders positiv fiel die Entwicklung im Bereich der Eventproduktion auf, wo der Umsatz um satte 147,5 % auf rund 21 Millionen US-Dollar kletterte. Auch durch den Ausbau der „Gaming Experience“ und neue Inhalte unter der IP „Shikenso“ konnten Einnahmen generiert werden.
Trotzdem blieb der Bruttogewinn mit 3 Millionen US-Dollar unter dem Vorjahresniveau – 2023 waren es noch 4,3 Millionen. Die operative Marge bleibt gering, während Investitionen und laufende Kosten weiter hoch sind. Besonders das Management mehrerer Teams in CS2, VALORANT, Rainbow Six und anderen Spielen sorgt für konstant hohe Betriebsausgaben, die sich nur schwer refinanzieren lassen.
“Die Esport-Branche hat eine Menge Sichtbarkeit, aber Sichtbarkeit allein bezahlt keine Gehälter,” sagte ein Branchenanalyst.
Diversifizierung und strategische Wetten
Die NIP Group setzt weiterhin auf Diversifizierung, um ihre Einnahmequellen zu verbreitern. 2024 wurden Partnerschaften mit Red Bull, der saudi-arabischen Agentur Savvy Games Group und ein weiterer Ausbau in den Nahen Osten bekannt gegeben. Dort sollen neue Märkte erschlossen werden, insbesondere im Eventbereich.
Zudem wurde Shikenso Analytics, ein Tochterunternehmen der NIP Group, stark in Szene gesetzt, das sich auf Datenanalyse und Branding in der Gaming-Branche spezialisiert hat – ein Bereich, der in Zukunft tragfähiger als reine Team-Finanzierung sein könnte.
“Unser Ziel ist es, ein Ökosystem zu schaffen, das sich nicht nur auf Preisgelder und Sponsoren stützt, sondern ein nachhaltiges Geschäft ermöglicht,” erklärte ein Sprecher der NIP Group im Zuge der Veröffentlichung.
Ein Blick auf die gesamte Branche: Profitabilität bleibt die Ausnahme
Die Situation der NIP Group ist kein Einzelfall. Auch andere große Organisationen wie FaZe Clan, TSM oder 100 Thieves meldeten 2023/2024 massive Defizite oder mussten sich restrukturieren. FaZe ging sogar an die Börse, nur um später von einem Private-Equity-Unternehmen übernommen zu werden – ebenfalls mit enormen Verlusten.
Ein Hauptproblem ist das wirtschaftliche Modell vieler Esport-Organisationen: Spieler- und Staff-Gehälter, Reisekosten, Bootcamps und Content-Produktion verursachen hohe Fixkosten, denen meist nur schwer planbare Einnahmen gegenüberstehen. Sponsorenbudgets sind nicht endlos, und selbst große Reichweiten auf Social Media oder Twitch bedeuten nicht automatisch Gewinn.
„Esport ist aktuell eher ein Investment-Feld als ein Ertragsmodell“, kommentiert der deutsche Esport-Experte Niklas Timmermann. „Wirklich profitabel arbeiten nur ganz wenige – oft durch Diversifikation, nicht durch den reinen Teamsport.“
Wie geht es weiter mit NiP und Co.?
Für die NIP Group ist klar: Die Zukunft liegt nicht nur im klassischen Esport-Bereich, sondern in der Kombination aus Entertainment, Datenanalyse, Eventbusiness und digitalem Content. Projekte wie die Expansion in den Nahen Osten und die Stärkung von Tochterunternehmen wie Shikenso sind Teil eines langfristigen Plans zur wirtschaftlichen Konsolidierung.
Zugleich bleibt das Prestige der Marke „Ninjas in Pyjamas“ ein entscheidender Faktor. Als eines der ältesten Esport-Teams mit Wurzeln in der CS 1.6-Ära genießt NiP weltweit einen exzellenten Ruf – besonders im CS2-Bereich. Dieses Erbe könnte bei einem wirtschaftlichen Turnaround entscheidend sein.
Der Millionenverlust der NIP Group ist ein klares Warnsignal für die Branche. Während Reichweite und Fanbindung nach wie vor stark sind, bleibt das zugrunde liegende Geschäftsmodell vieler Organisationen defizitär. Diejenigen, die es schaffen, über reine Esport-Teams hinauszudenken – in Richtung Technologie, Events, Daten und Content – könnten langfristig bestehen. Für klassische Teams wie NiP ist jetzt die Zeit, alte Strukturen zu hinterfragen und neue Wege zu beschreiten.